rosa trifft gelb

Elisabeth Büchel

01.02.2005 bis 20.03.2005

Elisabeth Büchel begibt sich in den Gemälden, die in den vergangenen Monaten für diese Ausstellung entstanden sind, auf die Suche nach Farbbegegnungen und Farberfahrungen. In einem langsamen Prozess haben sich dabei ihre Bilder stetig vereinfacht und reduziert bis sie zur hier vorherrschenden Struktur fanden: zwei monochrome Farbfelder, die an einer Horizontlinie zusammentreffen.

Die auf den ersten Blick einförmige Bildgestalt erweist sich in der vertieften Betrachtung als Quelle unendlich vielfältiger Wahrnehmungserfahrungen. Je nach Fokus des Blickes lassen sich unterschiedliche Farb-Dialoge und Korrespondenzen innerhalb der Bilder und zwischen ihnen entdecken. So findet die statische Struktur der horizontalen Teilung einen starken Gegenspieler in der Dynamik der Farbbegegnungen und der heftigen Interferenzen, in die sich die Farben gegenseitig verwickeln. Durch das breite Spektrum ihrer Töne, gewagte Kombinationen und Kontraste, aber auch im Auftrag entwickeln sich die Farben äusserst vielfältig in Erscheinung und Wirkung. So finden sich nach Aussen ganz geschlossene Farbfelder, auf denen sich das Auge vorwiegend über die Oberfläche bewegt. Andere jedoch ziehen den Blick in sich hinein, lassen in der Tiefe unzählige Farbschichten erahnen, wolkenartig schweben darin Verdichtung und Auflockerung, Verdunkelung und Erhellung. In diesen Bildern sind kaum konkrete Malspuren zu entdecken; in anderen jedoch werden der Pinsel und dessen Weg durch die Farbmaterie sichtbar. Einige Gemälde oder Felder sind lichterfüllt und leuchten aus ihrem Inneren heraus, manche lassen den Blick in eine tiefe Dunkelheit sinken, andere wiederum verschliessen sich dem Licht und lassen es an der Oberfläche reflektierend abprallen. Es scheint dabei keine Regeln zu geben: helle Farben versprechen keine offenen, leuchtenden Räume und dunklere Farben sind nicht in jedem Fall opak verschlossen.

In zahlreichen Werken gerät die Horizontlinie selbst in flimmernde Unstetigkeit. Sie erweist sich als eines der zentralen Elemente in den malerischen Forschungen von Elisabeth Büchel. Sie kann Abgrenzung sein wie auch Übergang, sie bedeutet Trennung oder Berührung, betont den Gegensatz oder den Einklang. So wird die Linie zu einem eigenen formalen Element, das sich von beiden Farben löst und ein eigenständiges - wenn auch in engstem Dialog befindliches - Leben führt. Da beginnt sie zu flimmern, da schiebt sich ein Lichtstrahl, eine offene Weite zwischen die beiden Felder. Ein Hervorleuchten von nur erahnbar tieferen Schichten und Farbwelten. Oder sie verdunkelt sich, lässt die Farben in die Tiefe absinken, die sich intensivieren, um dem Sog dieser Tiefe zu folgen.
Seltener jedoch bleibt diese Linie des Zusammentreffens seltsam unbenannt, bildet eine fast zufällige Grenze, die für sich kaum Bedeutung zu haben scheint. Da führen die Farbflächen ihrerseits ein fast unabhängiges, selbstbezügliches Dasein, als ob sie der Umgebung und deren Einflüssen durch Abgrenzung entgegenwirken wollten.

Die ganze Ausstellung zeigt sich, wie das einzelne Bild, als Spiel zwischen Ruhe und Bewegung, zwischen Kontrast und Harmonie. Dazu tragen auch jene Werkgruppen und Einzelwerke bei, die sich der Grundstruktur horizontaler Teilung entziehen, in denen sich heftige vertikale Spuren ihren Weg durch das Bild bahnen, oder wo die Fläche kleinteiliger aufgebrochen und rhythmisiert ist. Diese Bilder verraten eine Eigenheit der Künstlerin, einerseits die formale Reduktion zu suchen und zugleich immer wieder daraus auszubrechen und so zu verhindern, dass sie sich zum hohlen Schema entleert.

Die Farben in den Gemälden von Elisabeth Büchel reagieren und interagieren, Zwischentöne, Resonanzen und Echos werden oft erst durch Nachbarschaften sichtbar oder in ihrer Wirkung verstärkt. Das Auge gerät in Bewegung, schwimmt nicht nur innerhalb der einzelnen Farbflächen, sondern springt auf und ab zwischen zwei Farben und findet einer jeden Spur in der andern. Es bewegt sich durch den Raum zu benachbarten Gemälden, und trifft auf Erinnerungen und Echos. Kontrapunkt und Einklang halten die Farben und die Gemälde in einem steten Tanz, der den Raum und den/die Betrachter/-in in Schwingung versetzt.

Diesem leisen Beben und Schwingen setzen die grossen Kisten am Boden einen Gegenakzent. Sie halten die Statik des Raumes, bewahren die Balance und laden - halb Objekt - halb Möbel - zugleich ein, sich auf ihnen wie auf Inseln niederzulassen und sich in die Betrachtung der Malerei zu versenken. Dem bewegten Schauen ein ruhendes folgen zu lassen.

Elisabeth Büchels Bilder sind kein abgeschlossenes, vollendetes, sondern ein immer wieder von neuem werdendes Ereignis, das sich in der Anschauung, in der Betrachtung selbst erst vollzieht. Es ist ein stetes Ineinander von Hervortreten und Zurücksinken, von Berührung und Distanz, von Geschlossenheit und Offenheit, von Erhellung und Verdunkelung. Was wir vor diesen Gemälden erleben ist weniger ihre Dinghaftigkeit als ihr Werden und Vergehen. Ein steter Prozess und Kreislauf, worin die malerische Erweckung, ja Schöpfung der Farbe sinnlich und geistig erfahrbar wird.

"Erlebbar wird also nicht die Farbe als solche, sondern die Farbe im unaufhörlichen Prozess ihres Erscheinens und Entschwindens. [...] Hier erweisen sich Erscheinen und Erschauen als identisch."* Schauen und Erblicken werden somit eins mit dem Prozess der Bild-, resp. Farbentstehung und -schöpfung. Vor und in unseren Augen entfalten sich die Farbwelten, erfahren oder erahnen wir deren malerische Erschaffung und die Entwicklung ihrer Wirkungen. Schichtungen und Überlagerungen, das Ineinanderwirken und zu neuen Farben vordringen werden als sich stetig wiederholender Prozess der Kreation anschaulich.

*Michael Bockemühl: Die Wirklichkeit des Bildes. Stuttgart 1985, S. 48


© Corinne Schatz. Februar 2005

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